Buchpräsentation: „Die Gesellschaft des Tentakels“ von Matthias Wittmann

Gibt es ein anderes Tier, dass so wandlungsfähig, so wendig, so resilient ist wie der Krake? Oder die Krake? Oder doch der Kraken? Schon hier haben wir es mit drei Formen auf einmal zu tun. Der Krake ist eine Virtuosin der Veruneindeutigung, ein Grauen für den Erkennungsdienst, ein Tentakelhieb ins Gesicht von Verwaltungsinteressen, die nach der Reduktion von Ambiguität trachten.

Matthias Wittmann liest aus seinem jüngst bei Matthes & Seitz in der Reihe „Fröhliche Wissenschaft“ erschienen Buch, zeigt (Bewegt-)Bildmaterial aus Kunst- wie Filmgeschichte und etabliert mit dem Kraken eine Gestalt unserer krisenhaften Gegenwart sowie eine Figur der Störung menschlicher Wissensordnungen.

 

Biographische Informationen:

Matthias Wittmann, 1976 in Wien geboren, ist Medientheoretiker, Schriftsteller und Kurator sowie Literatur- und Filmkritiker. Er promovierte 2013 als Medienwissenschafter zum Thema MnemoCine. Die Konstruktion des Gedächtnisses in der Erfahrung des Films. 2009-2019 forschte und lehrte er am Seminar für Medienwissenschaft der Universität Basel, mit den Schwerpunkten Film, Screenology, mediale Mnemographien und transkulturelle Bildforschung (v.a. Kino des Iran). 2021 war er Gastprofessor an der Universität Wien (Theater-, Film-, und Medienwissenschaft)

 

Zur Ausstellung:

Lange Zeit grenzte sich der Mensch vom Tier ab, da angeblich nur Menschen denken und sprechen können. Doch im aktuellen Zeitalter des Post-Anthropozän steht das menschliche Überlegenheitsverständnis in Frage. Kann man Tieren ein komplexes Denkvermögen absprechen, nur weil sie nicht unsere Sprache sprechen? Sind die Sprachen von Tieren wirklich so anders als unsere zahlreichen Menschensprachen? Auch die menschliche Sprache ist nicht natürlich gegeben, sondern muss in jungen Jahren erlernt werden.

Die von Julia Katharina Thiemann kuratierte Ausstellung „Denken wie ein Oktopus, oder: Tentakuläres Begreifen“ greift diese Überlegungen auf, um anhand vielfältiger künstlerischer Arbeiten das bisherige Tier-Mensch-Verhältnis zu hinterfragen. Am Sinnbild des hochintelligenten Oktopus’, dessen Denk- und Sinnesapparat grundsätzlich anders strukturiert ist als unserer, werden Perspektivverschiebungen ästhetisch in den Raum gestellt. Wie wäre es, mit Tentakeln zu denken? Auf welche Weise schreiben wir uns in das Gedächtnis einer Krähe ein? Und können wir uns in Gebärden mit einer Gorilladame unterhalten?

Quelle: Wilhelm Hack Museum, Bild: links: © Matthes & Seitz; rechts © Matthias Wittmann

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