Schauspiel. Effingers

Eine Wiederentdeckung sorgte auf dem Buchmarkt des Jahres 2019 für Überraschung. Gabriele Tergits Familienchronik Effingers, erstmals 1951 erschienen und schnell wieder in Vergessenheit geraten, wurde neu aufgelegt und endlich mit der angemessenen Aufmerksamkeit bedacht. Inzwischen rückt man die jüdische Journalistin und Schriftstellerin sogar in die Nähe Thomas Manns. Sein Roman Die Buddenbrooks erzählt auf ähnliche Weise vom Aufstieg und Zerfall einer Kaufmannsdynastie. Bei Effingers hat der Niedergang eines durch und durch bürgerlichen Lebensentwurfs allerdings andere Gründe: Die Familie ist jüdisch, was lange Zeit für niemanden ein Thema ist – bis der schleichend anrückende Faschismus die verborgenen antisemitischen Ressentiments salonfähig macht.
Der süffig zu lesende, detailreiche Roman schlägt den Bogen über drei Generationen, von 1883 bis 1942. Man durchlebt in den Wohnzimmern zweier jüdischer Kaufmannsfamilien den Abgesang des Kaiserreichs, den Ersten Weltkrieg, die Spanische Grippe, die Ausrufung der Republik, die Machtergreifung der Nazis. Drei Generationen wachsen auf, suchen Rückhalt und Stabilität in ihrer Familie oder emanzipieren sich von ihren Zwängen. Sie verlieben sich, werden verheiratet oder heiraten gar nicht, fahren das erste Mal Auto, experimentieren mit dem technischen und wirtschaftlichen Fortschritt, erleben einen Weltkrieg, sind Teil des gesellschaftlichen Aufstiegs und stürzen ab.
Jan Bosse nutzt den vielschichtigen Text als Fundament für einen ausufernd schönen Theaterabend, der in die Vergangenheit entführt und doch die Gegenwart benennt. Mit einem großen Ensemble erinnert er sich an eine Zeit, in der die Wurzeln für heutige Strukturen und Denkweisen gelegt wurden. Es ist ein liebevoller, mal sarkastischer, mal melancholischer Blick auf eine untergegangene Welt, an der es nichts zu romantisieren gibt. Quelle: Theater im Pfalzbau, Bild: Armin Smailovic

„Es springen Funken über, wie es das nur im Theater gibt.“ Süddeutsche Zeitung

Mehr Informationen unter dem Orginalbeitrag auf der Website des Theaters im Pfalzbau. 

Nach dem Roman von Gabriele Tergit
Münchner Kammerspiele

SA, 18.03.23, 19:00 UHR, S 1, TG 6, JA 2
SO, 19.03.23, 17:30 UHR, S 2, TG 5

Inszenierung Jan Bosse
Bühne Stéphane Laimé
Kostüme Kathrin Plath
Musik Arno Kraehahn
Licht Stephan Mariani
Videodesign Ruth Stofer
Dramaturgie Viola Hasselberg
Mit Katharina Bach, André Benndorff, Zeynep Bozbay, Johanna Eiworth, Julia Gräfner, André Jung, Anna Gesa-Raija Lappe, Bekim Latifi, Christian Löber, Katharina Marie Schubert, Edmund Telgenkämper, Lucy Wilke

GROSSE BÜHNE
Preise 41 € / 35 € / 29 € / 23 €
Dauer ca. 3 Stunden 30 Minuten, eine 

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