Nach dem Konzert. Interview mit Afrob
Nach dem Konzert. Interview mit Afrob
Am 15.06.24 fand im Kulturzentrum dasHaus Ludwigshafen die monatliche Fördervereinsreihe ‚Harfenklänge‘ der Ludwigshafener Crew Music Gourmétz statt. Headliner diesen Monat war das Deutschrap Urgestein Afrob. Er hat bislang sieben Soloalben, zwei Kollaborationsalben mit Samy Deluxe unter dem Namen ASD und eine Live-Platte veröffentlicht. Zusammen mit dem Hamburger Kollegen Ferris MC hat er mit dem Track „Reimemonster“ eine der frühen Hymnen des deutschen HipHop geschaffen. Doch vor allem auch live hat sich Afrob als verlässlicher HipHop-Lieferant etabliert. Seine Stimme ist unverkennbar und seine Bühnenshows, egal, ob solo, mit der Crew rund um Freundeskreis und Kolchose oder zusammen mit Freunden wie Samy Deluxe oder Megaloh, sind legendär. Bei Harfenklänge gab es die Chance, eine solch energiegeladene Show im gewohnt familiären Rahmen auf der Hausbühne im Dôme zu erleben.
Im Anschuss saßen Andy und Afrob backstage zusammen und tauschten sich ein wenig aus.
ANDY
Wie war das, als ihr in Stuttgart angefangen habt, ich glaube Rolle mit Hip-Hop kam 1999 heraus, oder? In was für einer Schublade hättest du dich damals gesteckt? Heute betiteln wir die damalige Zeit vielleicht als Oldschool, aber da gabs ja schon Leute vor euch, also habt ihr euch bestimmt damals nicht selbst so gesehen.
AFROB
Ja, vor uns gab es ja eine funktionierende Szene. Also, wir waren nicht die Erfinder dessen, was dann natürlich von uns auch weitergetragen wurde, sondern es gab schon Leute vor uns und die haben wir natürlich angehimmelt. Wir fanden die gut und es gab so eine gesunde Konkurrenz damals, weil die Jams auch immer so städtebezogen waren und sich dann auch die Crews alle gezeigt haben und so. Dann war das schon so eine gesunde Competition, die wir hatten. Wenn du so willst, waren die Hamburger vor uns da. So kommerziell jetzt, ne? Ich rede jetzt nur von der kommerziellen Ära. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schwierig das war, irgendwo im Büro bei einem Major zu sitzen und dann über Verträge zu verhandeln – zu ihren Konditionen. Du musstest ja froh sein, die Chance zu kriegen.
ANDY
Wie war das beim ersten Mal?
AFROB
Bei mir lief alles… Ich hab keinen Hustle mehr gehabt. Ich kam von der Schule und hab einen Vertrag unterschrieben. Aber das auch nur, weil Max schon gute Kontakte hatte. Der hatte schon einen Vertrag und ich hab auch sehr viel mit Michi Beck gemacht. Weißt du, dieses ganze Turntablerocker Zeug. Und der war sehr nah dran. Und dann war eigentlich klar, dass ich dann auch zu Four Music gehe, das ging dann alles relativ schnell bei mir.
Aber wir waren vorher halt auch ohne die Verträge auf den Jams und haben Konzerte gegeben, die dich halt zu was gemacht haben. Wenn du mal mit tausend Rappern die Bühne geteilt hast und du irgendwie immer noch da bist, dann hat das damals schon was geheißen.
ANDY
Wie war oder kam der Kontakt zu Heidelberg und zu Hamburg?
AFROB
Ich hab vor Torch die Joints versteckt und so. 😁
ANDY
Jan Delay hat mal erzählt, Torch war so der paar Jahre ältere und sie die Kids.
AFROB
Ja, aber der Jan hatte mehr mit Torch zu tun als wir, die kannten sich schon besser. Wir Stuttgarter waren da neu quasi, da gabs schon, wie ich meinte, die funktionierende Szene. Aber die Heidelberger haben wir auf jeden Fall heftig respektiert. Das war für uns das Mekka. Das war wie New York für uns.
ANDY
Okay, und wie kam der Kontakt nach Hamburg und gerade zu Samy?
AFROB
Hmm… Das war auch später… Also erst hatten die Massiven und Max (in Stuttgart) und die Beginner und 5 Sterne (in Hamburg) released. Also ich und Samy waren, wenn du willst, die Newschooler. Quasi so ein bisschen so in ihrem Schatten, aber die haben dann auch Platz gemacht für uns beide. Und so hab ich ihn dann mal getroffen, aber nicht als Rapper.
Er saß auf DJ-Kisten mit DJ Dynamite. Ich wusste nicht, dass der auch ein Rapper ist, aber er hat mich angesprochen. Er saß er so auf seinen Kisten und meinte so „Ey, ich find das voll krass, was du machst.“
Es gab ja schon Schoß der Kolchose und Mutterstadt auf dem Massive-Album, da hatte ich ja Features drauf. Und ich hab nur über die Features ein Verlagsdeal gekriegt. Nur die zwei Strophen! 😂
…Ruft der mich an „Ich bin von der BMG…“, ich hab den Hörer schon weggeschmissen. 😆
Ne.. den hab ich erst später getroffen. Aber als DJ Emilio von so einem Konzert, wo auch 5 Sterne gespielt haben, zurückkam, hat er erzählt: Da kam so ein Riesen-Schwarzer raus, der hat alles zerstört.“ Das war der. Der Typen, den ich getroffen hab, ich war mir ganz sicher, dass der das war. Und es war er.
ANDY
Ja krass okay. Wie würdest du deinen Rap von damals beschreiben?
AFROB
Ich war nicht so strategisch. Bei mir war das alles sehr natural. Die Technik war für mich am Anfang nicht so wichtig. Es sollte einfach nur gut klingen. Ich hab halt geflowt. Ich war der Flower.
ANDY
Wie würdest du jetzt, nach 25 Jahren, jetzt deine Musik beschreiben?
AFROB
Weltklasse.
Ich weiß, was ich mach. Ich brauch nicht viel Zeit für Beats oder so. Wenn ich in ein Studio gehe, weiß ich genau, was ich machen will. Ich hab kurze Wege zu den Dingen, die ich machen möchte. Ich will auch nicht immer in Schönheit sterben. Man muss nichz immer alles zeigen, was man kann. Das ist extrem schwierig für Artists, weil sie natürlich immer alles zeigen wollen von sich. Aber du musst es auch hörbar machen…
Jemand muss es auch hören. Oft ist es so im Rap – wenn du in Schönheit stirbst, dann wird es meistens nur überlagert. Weil man das kann, will man es zeigen… Das hab ich irgendwann gelassen. Ich will Juice nur noch.
ANDY
Du bist jetzt 25 Jahre relevant / Afrob unterbricht
AFROB
Nein, bin ich nicht.
ANDY
Weil du nicht chartest?
AFROB
Nee. Das ist auch nicht das Ziel der Sache. Jeder hat seinen Part, jeder spielt seine Rolle. Jeder hat auch mehr oder weniger seine Zeit. Ich bin vielleicht ein eher ungewöhnliches Phänomen. Rap ist so eine junge Musikkultur. Es ist nicht leichter, mitzuhalten, wenn man mal älter wird und andere Themen hat. Bei mir ist es auch das Live-Ding, das mir sehr dabei hilft. Aber ich würde nicht sagen, dass ich seit 25 Jahren relevant bin. Das wäre ein bisschen too much.
Aber ich bin Big Baba Afrob. Das kannst du schon über mich sagen. 😎
ANDY
Ok, das wird der Titel, okay? 😁
AFROB
Ja, das klingt besser.
ANDY
Okay, ist es dann das Sich treu bleiben? Oder sich immer neu erfinden? Wohl irgendwo so ein Zwischending, oder?
AFROB
Ja. Kannst du so sagen. Weißt du, ich mag Musik. Ich mag Rap-Musik. Ich mag, wie es mal war. Ich mag, wie es ist. Ich werde es auch ganz sicher mögen, wie es irgendwann mal sein wird. Weil ich in der Lage bin, immer den Kern noch rauszuhören. Ich höre die Essenz.
ANDY
Das heißt, du gehst mit den ganzen neuen Wellen, Richtungen, Hypes, Trends mit?
AFROB
Hm, ne. Aber ich hol mir, was ich interessant finde. Es kann schon sein, dass ich das in der Arbeit wiederfinde. Das stimmt schon. Aber die Basis ist eigentlich immer klar. Das ist organisch. Das ist meistens gerade. Obwohl ich auch alles andere könnte. Aber das meint sich damit. Ich muss nicht in Schönheit sterben. Ein Album braucht auch einen Faden. Ich bevorzuge einfach auch diese Art von Musik. Von 82 bis 94 BPM. Gerade Sachen. Wenig Drums, wenn es geht wenig Layers, sehr melodisch. Die Dinger mag ich.
ANDY
Ich muss da grade an Sido denken, da finde ich, wenn ein neuer Trend kommt, hörst du das auf dem nächsten Album – dass er anders rappt, dass er seinen Flow anpasst. Er hat in irgendeinem Interview gesagt, das und das ist fürs Radio produziert. Alles sehr strategisch. Verstehst du, was ich meine?
AFROB
Sido hat zwei Weltklasse-Songs geschrieben. Richtige Hits hat er geschrieben. Mein Block und Bilder im Kopf. Das ist super geschrieben. Da kann man nichts sagen. Der darf alles. So einfach ist das. Ich bin mir auch sicher, dass der die geschrieben hat. Ganz sicher. Das ist so Er. Das ist super authentisch. Ich glaube bei Sido, alles was er macht, ist einfach auch er. Es macht auch Spaß, dabei zuzugucken, wie er mit den Dingen umgeht. Aber Authentizität ist so overrated im Rap. Nobody cares. Weißt du, ich finde, es ist ein gutes Add-on, aber es ist nicht mehr notwendig. Das ist die Romantisierung von Hip-Hop-Musik, sich treu bleiben.
ANDY
Was hältst du da von Ghostwriting?
AFROB
Ich habe damit überhaupt kein Problem.
ANDY
Sagst du dann, das ist Rap, aber vielleicht kein Hip-Hop?
AFROB
Nein, das sage ich nicht, ich trenn das nicht. Ich bringe dir tausend Leute, die sagen würden, dass Reimemonster kein Hip-Hop ist. Ganz locker, ohne Probleme. Oder Get up, weil deine Frau im Hook singt. Du sprichst mit dem Falschen. Weil ich mich diese Sachen getraut habe und ich dafür auf die Fresse gekriegt habe. Aber nur die Mutigen werden belohnt.
ANDY
Das heißt, Leute haben zu dir gesagt, das ist kein Hip-Hop?
AFROB
Natürlich. 😀 Ich hab die schlimmsten Reviews gekriegt von SureShot für Reimemonster. Die haben es komplett auseinander genommen… Es ist immer der Blickwinkel, weißt du was ich mein? Dieses ganze Ghostwriting, alles was im Rap Gang und Gäbe ist, das ist Teil der Entwicklung von Rap. Dir muss es nicht gefallen. Du kannst ruhig sagen, dass es scheiße ist, aber es ist deswegen nicht weniger Hip-Hop nur weil du das so erlebt hast. Du hast kein Anrecht auf dein Rap auf alle Ewigkeit. Und wenn du das nicht verstehst, dass Rap sich ständig wandelt, wirst du diese Musik nie verstehen. Das macht sie auch aus. Deshalb ist sie so groß und die größte Jugendmusikkultur auf dieser Erde. Und deshalb wird sie es auch bleiben, weil diese Strömungen kommen. Und wenn du mal genau hingeguckt hast, merkst du auch, dass Sachen wiederkommen. Du wirst irgendwann mal genau das, was du für dich als Hip-Hop definierst, wiederfinden. Auch kommerziell. Du siehst ja auch in dem Battle mit Drake und Kendrick, dass der eigentlich organische Hip-Hopper quasi den Battle für sich entschieden hat.
Gegenüber dem – wenn du so willst – synthetischen Pop-Rapper Drake. Ich werde mir jetzt nicht so dramatisch viel Sorge machen um Rap. Ich meine, die Leute, die diese Musik machen, die diese dogmatischen Hip-Hop-Hörer mögen, die sind ja da. Die kannst du ja hören.
Aber da ist, glaube ich, beschweren leichter als zu supporten. Ich mache das schon Ewigkeiten, ich habe schon alles gehört, ich bin da wesentlich entspannter. Aber ich verteidige auch nicht alles. Es gibt viel Scheiße.
ANDY
Du hast gesagt, ich glaube, auf ‚Daumen hoch‘, „was ich sehe ist, was ich denke“. Meinst du damit, deine Gedanken schaffen deine Umwelt?
AFROB
Was ich seh ist, was ich denke und es macht mich krank. Das ist die ganze Line. Egal wohin ich geh‘, die Leute haben Angst.
Aber ist ja so. Was du siehst, darüber machst du dir Gedanken. Das in deinem unmittelbaren Mikrokosmos.
ANDY
Ja und worüber du dir Gedanken machst, das siehst du dann in der Relation auch. Weißt du, was ich meine?
AFROB
Ja falls du meinst, es wär Einbildung, nein, das mein ich nicht. Ich meine, du dealst mit dem, was du vorfindest, nicht was du dir wünschst.
ANDY
Was für Künstler schicken dich jetzt gerade? Aktuell.
AFROB
Ich habe so Phasen, wo ich mir die neuen Sachen anhöre, wo ich etwas Interessantes finde und dann auch folge. Ich habe bestimmt irgendwas, was ich gerade höre, was so neuer ist, was für Leute jetzt auch interessant ist. Aber ich muss dir ehrlich sagen, 80 Prozent meiner Zeit verbringe ich ausschließlich mit Jazzmusik.
Mir fällt es schwer, Hip-Hop die letzten sechs Monate oder die letzten ein, zwei Jahre zu hören, weil es einfach so destruktiv ist. Das ist genau das, was ich meine, was ich sehe, was ich denke. Es macht mich krank. Und wenn ich sehe, dass Rap mitverantwortlich dafür ist, dass sich junge, schwarze Teenager über den Haufen schießen, dann macht mich das unglücklich. Und man hört es auch in der Musik. Irgendwas ist da rausgenommen worden. Es ist irgendwas Dämonisches, was da läuft. Diese 808 ist einfach dämonisch. Ich habe keine Ahnung. Ich kann es nicht hören. Ich konnte vor zwei Jahren noch Sachen verteidigen, so wie Travis Scott und sowas. Das konnte man auch hören, weil es mit Mike Dean produziert wurde. Das war neu, aber es hatte so ein Spektrum, was dich eingenommen hat, weil es diese Soundästhetik hatte, die du dann wiedererkannt hast. Aber das ist komplett weg. Es ist super steril.
Die Musik ist einfach überhaupt nicht einladend. Und die Artists sind super austauschbar. Die sind einfach nur noch kleine Sklaven. Die haben keine Zeit, sich zu entwickeln. Die werden verheizt. Die kriegen einen Deal, dürfen zwei Alben machen und dürfen die Masterrechte nicht behalten. Also ist es schrecklich, was da passiert. Zurzeit schickt mich eigentlich nur gerade Bill Evans‘ Trio – My Foolish Heart.
ANDY
Okay. Recherchier ich.
AFROB
Mach das. Du wirst mir dafür danken. Die erste Note… Alles ist cool. Und Frequenzen sind real.
ANDY
Ich wollte dich gerade fragen… Man redet von zum Beispiel heilenden Frequenzen du hattest vorhin von destruktiven gesprochen…
AFROB
Ja, 100 Prozent. Ich habe das auch nicht geglaubt, eine Zeit lang, dass das echt auch mit dir was macht. Klar, wenn du einen Song hörst, den du wiedererkennst, merkst du auch, okay, ich bin happy. Aber das geht darüber hinaus. Das ist viel mehr. Ich hab es nicht geglaubt, obwohl ich immer das beste Beispiel dafür war. Es interessiert mich, wie Tonlagen quasi auch deinen genetischen Code antasten können. Und ich glaube das sofort. Wenn ich Earth, Wind & Fire – September höre, dann würde ich in dem Moment nie auf negative Gedanken kommen.
ANDY
Also von wegen alles ist Frequenz – jedes Material ist Frequenz, du bist Frequenz und jede Frequenz hittet irgendwo irgendwas.
Afrob schnippt, lacht und neigt sich zu DJ Derezon
AFROB
Was habe ich dir gesagt? 😀
Das ist unser Thema gerade ein bisschen… Wir reden da sehr viel darüber…
ANDY
Ja das ist echt interessant. Dann lass uns das Interview an dieser Stelle beenden und wir reden noch so ein bisschen weiter. Ich danke dir für deine Zeit.
AFROB
Alles cool, danke.