Premiere für „Lyricism Unplugged“ in toller LUcation
Premiere für „Lyricism Unplugged“ in toller LUcation
Am Abend des 15. Dezember präsentierte das WOW-Magazin erstmals das Eigenformat „Lyricism Unplugged“ im wunderschönen, weihnachtlich geschmückten Cinema Paradiso & Arte. Die ehemalige Notkirche aus dem Jahr 1886 bot mit seiner einzigartigen Atmosphäre den perfekten Rahmen für diesen besonderen Abend. Die Bühne war schlicht mit einem Piano und einem Sessel geschmückt. Die Veranstaltung richtete sich sowohl an eingefleischte Rapfans als auch an Menschen, die bisher wenig bis keine Berührung mit dieser Kunstform hatten. Durch den Verzicht auf Beats und musikalische Begleitung konnten sich die Zuhörer voll und ganz auf die tiefgründigen Texte und die darin steckende Lyrik konzentrieren. Man erlebte Rap in seiner reinsten Form als moderne Dichtkunst mit der Kraft der Worte. Texte, die einen einfach mitnahmen, in ihren Bann zogen und nachdenklich werden ließen performten Andreas Heinrich, Marco Wessling, Tobias Schirneck und Simeon Bonke Klein jeder auf seine Weise. Claude Schmidt begleitete den Abend während dem Abendessen am Flügel.
Im Cinema Paradiso & Arte wurde man nicht nur äußerst herzlich von den Eigentümern Beatrice und Domenico D’Angelo begrüßt, man traf auch etliche bekannte Gesichter aus der Ludwigshafener Kulturszene. Manche waren das erste Mal hier im Cinema Paradiso & Arte und glaubten es kaum, dass es hier in Ludwigshafen so etwas Schönes gibt. Kaum hat man den Eingang der Location gefunden, entfaltet sich ein großartiger Anblick eines liebevoll mit Antiquitäten und Sammeleien geschmückten Saales, der trotz seiner Größe unheimlich gemütlich und warm wirkt. Neben der mit der Aufschrift ‚Lyricism Unplugged‘ verzierten Bühne ragten beidseitig riesige festlich beleuchtete Weihnachtsbäume aus dem Odenwald kommend bis fast an die Decke hoch.
Andreas Heinrich als Einladender begrüßte das Publikum und freute sich, dass es den 3. Advent für diesen Abend „opfere“. Es würde auch sehr persönlich werden, denn das, was er und die Kollegen heute vorlesen, käme von Herzen. Er wollte ein Format machen, das Rap als Kunstform in seiner reinsten Form würdigt und die literarische Qualität des Genres hervorhebt. Er betonte die gesellschaftliche Relevanz des Hip-Hops, der die Kraft hat, Grenzen zu überwinden und marginalisierten Stimmen Gehör zu verschaffen. Ziel sei es, den Besuchern ein tieferes Verständnis für verschiedene Lebensrealitäten zu vermitteln und sie dazu einzuladen, die Schönheit und Komplexität dieser Kunstform zu erleben. Heinrich zitierte Passagen aus einem Beitrag des Deutschlandfunk Kultur über die Entstehung und Entwicklung der Hip-Hop Kultur. Er selbst habe in seiner Jugend angefangen Texte zu schreiben, vor allem Rap. Weiter erzählt er, Hip-Hop als Kultur zeichne sich durch einen vielschichtigen künstlerischen Ausdruck aus, der die vier Hauptelemente Rap, DJing, Breakdance und Graffiti-Kunst umfasst.
Diese Formen bieten den Künstlern die Möglichkeit zum kreativen Selbstausdruck sowie der Identitätsbildung. Gleichzeitig fungiert Hip-Hop als bedeutendes Medium für gesellschaftliche und politische Kritik, indem Künstler auf Missstände wie Armut, Rassismus und soziale Ungerechtigkeit aufmerksam machen. Entstanden als Selbstermächtigung unterrepräsentierter Stimmen, wirkt Hip-Hop bis heute identitätsstiftend und empowernd. Innovation und Individualität sind zentrale Werte, die in der Kultur hochgehalten werden, während sie sich stark im öffentlichen Raum manifestiert. Der Battle-Rap wiederum verkörpert den Wettbewerbsgedanken, der tief in der Hip-Hop-Kultur verwurzelt ist. Er stellt eine verbale Form des Wettkampfs dar, bei dem Rapper versuchen, sich gegenseitig mit kreativen Reimen, cleveren Wortspielen und technischer Finesse zu übertrumpfen. Rapper müssen wortgewandt sein und so gab es eingangs eine Kostprobe eines Battletextes.
Weiter präsentierte er eine eigene Version des Liedes „Kalenderblätter“, inspiriert von Fabian Römer und Motrip. Fasziniert von der Reimstruktur des Originals, schuf Heinrich seine Interpretation, die zwei kontrastierende Geschichten erzählt. Die erste handelt von Marie, die in einer stressigen Karrierephase ihren Job kündigt, um mehr Zeit für sich zu gewinnen. Die zweite Geschichte dreht sich um Mike, einen Kriminellen, dem während er sich mit den Folgen seiner Taten auseinandersetzt, deutlich wird, dass auch er am Ende seines Weges steht. Heinrich nutzt in seinem Text eine eindringliche Sprache, um die emotionalen Kämpfe seiner Protagonisten darzustellen, greift Themen wie Arbeitsstress, Work-Life-Balance und die Herausforderungen und inneren Konflikte auf, und bietet damit einen tiefen Einblick in die menschliche Psyche und die Herausforderungen des modernen Lebens.
Nach seinen Rap-Lyrics hatte man schon die erste Gänsehautmomente. Was sollte da noch folgen? Es folgte noch viel, nämlich Marco Wessling, Gründer der Music Gourmétz. Heinrich erwähnte in seiner Anmoderation, er sei schon Fan von ihm, noch bevor er ihn persönlich kennenlernen durfte. Wessling begann mit einem gesellschaftskritischen Stück namens „Schlaflied“, das Fragen über Verantwortung und Gewissen von Machthabern aufwirft. Der Text hinterfragt, wie Menschen in Machtpositionen mit den Konsequenzen ihrer Entscheidungen umgehen, insbesondere wenn diese Entscheidungen Leben kosten oder Leid verursachen. Wiederum ein toller Textvortrag, ein Mann, der sich Gedanken macht über die Welt, Politik und die Menschen im Allgemeinen. Es folgt „Kopfkino“, ein kreatives Werk, das ausschließlich aus Filmtiteln besteht und dennoch eine zusammenhängende Geschichte erzählt. Dieses Stück demonstriert Wesslings Kreativität und seine Fähigkeit, mit Sprache zu spielen. Er sagt, er habe 94 Texte dabei und liest so lange, bis Heinrich „Stopp“ sage. Es folgten ein Rap über Hashtags und Follower zu „Du bist so makellos“, bei „Schlüssel der Seele“ zeigte sich, was so alles in den Köpfen der Lyriker umhergeht sowie ein wahnsinnig guter Text zum Thema Intoleranz. „Wir sind der Leuchtturm, wird sind die Feuerwehr, wir sind so viel mehr“.
Es folgte Simeon „Meon“ Bonke Klein. Er begann seinen Auftritt mit einer humorvollen Einleitung, in der er über seinen Künstlernamen und seine Vorliebe für das Geschichtenerzählen sprach. Er teilte einen Witz seines siebenjährigen Sohnes über die „Sprache in der Sauna“ und erklärt, dass er nach den vorherigen Reimketten-Darbietungen etwas Anderes präsentieren möchte. Klein erzählte eine Geschichte namens „Die Kinderbrücke“ von Max Bollinger aus dem Jahr 1979. Diese Geschichte handelt von zwei verfeindeten Bauernfamilien, die an gegenüberliegenden Ufern eines Flusses leben. Während die Erwachsenen streiten und neidisch aufeinander sind, freunden sich ihre Kinder heimlich an, indem sie sich auf Steinen in der Flussmitte treffen. Als die Eltern davon erfahren, beschließen sie, gemeinsam eine Brücke zu bauen, um die Familien zu verbinden.
Anschließend kündigte Klein an, dass er nun zu Reimen übergehen wird, aber weiterhin in Geschichtenform. Er beschreibt sich selbst als jemanden, der viel nachdenkt und an sich zweifelt, und erwähnt ein von ihm erfundenes Alter Ego namens „kleiner Fuchs“, das im Gegensatz zu ihm einfach handelt, ohne zu zweifeln. Er dient als Metapher für einen listigen und rebellischen Charakter. Der Fuchs zieht in die Welt hinaus, um „das Glück zu fangen“, und begeht dabei verschiedene Taten, die sowohl kreativ als auch gesetzeswidrig sind. Der Text ist in einem sehr rhythmischen, reimenden Stil geschrieben, der typisch für Rap-Lyrik ist. Er beschreibt die Abenteuer und Missetaten des Fuchses, der als „Tunichtgut“ und „ausgebuffter Straßenfuchs“ charakterisiert wird. Der Fuchs stiehlt, betrügt und bricht Regeln, während er gleichzeitig philosophische und gesellschaftskritische Gedanken äußert. Die Geschichte ist voller Wortspiele und Metaphern, die verschiedene Aspekte des Lebens am Rande der Gesellschaft beleuchten. Der Fuchs symbolisiert Freiheit, Rebellion und die Ablehnung konventioneller Normen.
Er „besetzt die Straßen des Viertels“, „schenkt Soldaten den Frieden“ und „verhetzt Adel und Kirche“, was auf eine anti-autoritäre Haltung hindeutet. Trotz seiner Missetaten zeigt der Fuchs auch eine gewisse Selbstreflexion und Melancholie. Er erkennt, dass er „verflucht“ sein könnte und dass seine Handlungen nicht immer gut sind. Am Ende strebt er danach, „das Schloss des Paradieses zu knacken“, was möglicherweise eine Suche nach Erlösung oder einem höheren Sinn symbolisiert. Während der Pause sorgte Claude Schmidt, ein renommierter deutscher Pianist und Musikproduzent aus Mannheim, der 1989 seine Karriere als Pianist bei Joy Fleming begann, für musikalische Unterhaltung am Flügel. Seit 2018 konzentriert er sich auf Solopiano, Bandbegleitung und Korrepetition. In den 1990er Jahren arbeitete er als Produzent in Florida und England, wo er mit Künstlern wie Grandmaster Flash und Kurtis Blow zusammenarbeitete. Schmidt trat auch unter dem Namen Amadeuz auf und hatte Erfolge mit Singles wie „Dieses Lied“. Er war Inhaber der CBR Music GmbH und leitet heute die Band Monopelao. Zudem ist er als Pianist im Musical „IWWA DIE BRICK“ aktiv, das von seiner Zeit mit Joy Fleming inspiriert ist.
Weiter präsentierte er eine eigene Version des Liedes „Kalenderblätter“, inspiriert von Fabian Römer und Motrip. Fasziniert von der Reimstruktur des Originals, schuf Heinrich seine Interpretation, die zwei kontrastierende Geschichten erzählt. Die erste handelt von Marie, die in einer stressigen Karrierephase ihren Job kündigt, um mehr Zeit für sich zu gewinnen. Die zweite Geschichte dreht sich um Mike, einen Kriminellen, dem während er sich mit den Folgen seiner Taten auseinandersetzt, deutlich wird, dass auch er am Ende seines Weges steht. Heinrich nutzt in seinem Text eine eindringliche Sprache, um die emotionalen Kämpfe seiner Protagonisten darzustellen, greift Themen wie Arbeitsstress, Work-Life-Balance und die Herausforderungen und inneren Konflikte auf, und bietet damit einen tiefen Einblick in die menschliche Psyche und die Herausforderungen des modernen Lebens.
Anschließend nahm Tobias Schirneck im warm gesessenen Sessel Platz. Er gründete vor zwölf Jahren Deutschlands erste pädagogische Rapschule, die anfangs belächelt wurde, mittlerweile aber mehreren Menschen ein Einkommen bietet. Schirneck betonte, wie erfüllend er seine Arbeit in Schulklassen findet, insbesondere in herausfordernden Umgebungen wie der Niederlausitz oder Magdeburg, wo er auf schwierige soziale Verhältnisse trifft. Schirneck beschrieb die Herausforderungen des Lehrerberufs in der heutigen Zeit und betonte die Bedeutung seiner Arbeit für Veränderungen in deutschen Schulen, insbesondere in Bezug auf Gewalt und die Möglichkeit für junge Menschen, Gehör zu finden. Er dankte an der Stelle auch seinem Vorredner Meon, der als Logopäde seit fast zwölf Jahren mit ihm zusammenarbeitet und große Geduld im Umgang mit schwierigen Schulklassen bewiesen hat.
Er präsentierte einen Einblick in seine pädagogische Raparbeit und die Themen, die Schüler in seinen Workshops beschäftigen. Er sammelte die häufigsten Themen in deutschen Schulklassen, darunter Fortnite, Familie, Fußball, Fake Friends, Straße, Trauer, Heimat, Mobbing, Liebe, Schule, Lehrer, Geschwister, Umweltgerechtigkeit, Krieg und Rassismus. Ein besonderer Fokus lag auf der Entwicklung der Schüler, insbesondere der Mädchen, in seinen Rap-Workshops. Er beschrieb, wie Mädchen anfangs schüchtern sind, aber am zweiten Tag oft beeindruckende Rap-Performances zeigen. Schirneck betonte die Bedeutung, Kindern zu zeigen, dass es keine schlechten Themen gibt – als Beispiel erzählte er von einer 2. Klasse in Heidelberg, wo Kinder über Tomaten und Gurken rappen konnten. Ein Kernziel seiner Arbeit ist es, Kindern und Jugendlichen Vertrauen in ihre eigene Stimme zu geben. Er glaubt, dass die Angst vor dem Sprechen oft in der Teenagerzeit entsteht und sich später verfestigt, wenn man nicht daran arbeitet.
Nach Schirnecks Auftritt betrat Andreas Heinrich wieder die Bühne; er belegte mit der zweiten Hälfte seines Programms den letzten Slot des Abends. In seinem folgenden Text thematisierte Heinrich die Illusion von Freiheit in einer überwachten und algorithmengesteuerten Welt. Er beschreibt die Abhängigkeit der Menschen von digitalen Medien und Konsumverhalten, das oft als „süßes Gift“ wahrgenommen wird. Trotz des Bewusstseins über die negativen Auswirkungen des Konsums bleibt der Einzelne in diesem Kreislauf gefangen, während er gleichzeitig unter dem Druck steht, zu funktionieren und seine Gefühle zu unterdrücken. Den Abend beendete Heinrich mit einem Text in drei Szenen, der das Leben in einer grauen, industriell geprägten Stadt, die von Beton und Anonymität geprägt ist, beschreibt.
In der ersten Szene wurde die Stadt als ein Ort dargestellt, der unter einer Wolkendecke liegt, mit einer Mischung aus Hoffnung und Enttäuschung. Die Menschen streben nach Erfolg und Utopien, doch der Druck der Zeit und persönliche Interessen führen zu Konflikten. Die Stadt wird als seine persönlich „schönste Zweckgemeinschaft“ beschrieben. In der zweiten Szene wird die Anonymität der Stadt betont. Die Menschen kommen zusammen, fühlen sich aber gleichzeitig voneinander isoliert. Der Alltag ist hart, aber die Straße verleiht Stärke. Es wird auf die Suche nach Schutz vor den Widrigkeiten des Lebens hingewiesen. Die dritte Szene bringt einen Hoffnungsschimmer: Trotz der grauen Umgebung gibt es einen Regenbogen und das Potenzial für Veränderung. Der Autor reflektiert über seine Beziehung zur Stadt, in der er geboren und aufgewachsen ist, und erkennt, dass er besser damit umgehen kann, wenn er sich mit ihr identifiziert. Letztlich sieht er die Stadt als Teil seiner Identität und als einen Raum voller Möglichkeiten.
Die Veranstaltung bot einen tiefen Einblick in die Komplexität und emotionale Tiefe des Rap, abseits kommerzieller Klischees. Sie zeigte, wie Rapper gesellschaftliche Themen, persönliche Erfahrungen und universelle Gefühle in kreative Sprachbilder und rhythmische Strukturen verwandeln. „Lyricism Unplugged“ öffnete uns die Tür zu einer Welt voller sprachlicher Finesse, rhythmischer Komplexität und emotionaler Tiefe. Der Abend war nicht nur für die Zuschauer, sondern auch für die Künstler selbst von großer Bedeutung. Sie konnten ihre persönlichsten und tiefgründigsten Texte in einer intimen Atmosphäre präsentieren, was zu mehreren Gänsehautmomenten führte. Den Besuchern nach hat „Lyricism Unplugged“ mit dieser gelungenen Premiere das Potenzial, zu einer regelmäßigen Veranstaltungsreihe zu werden, die die Vielfalt und Tiefe der Rapkultur einem breiteren Publikum zugänglich macht.