„Wenn der Bass Dir die Maske aus dem Gesicht drückt“

„Wenn der Bass Dir die Maske aus dem Gesicht drückt“

EIN BEITRAG VON TYPISCH.LU

In den letzten Monaten war es in der Bahnhofsstraße ein wenig ruhiger geworden. Die Bauarbeiten am neuen TWL-Gebäude (für viele ist es noch immer das Horten-Kachel-Kaufhaus) wurden beendet und coronabedingt war das öffentliche Leben in den größeren und kleinen Kneipen und Bars sehr zurückgefahren. Auch das Kulturzentrum „dasHaus“ hatte die Corona-Notbremse gezogen (ziehen müssen) und das Programm erheblich zurückgefahren. Es war einfach sehr ruhig.

Doch jetzt ging es im Januar 2022 endlich wieder los. Nach längerer Pause und gefühlten 167 Scratch-Sessions öffnete „dashaus“ seine Türen wieder für die Harfenklänge, die vom Förderverein dasHaus e.V. und den Music Gourmétz organisiert werden. Rap und Hip Hop, mal melodiös mit sanften Tönen, dann wieder derb gegen die Wand fahrend, scharen sich u.a. die Freunde der Rap-Community, unterstützt von unserer Ludwigshafener Music Gourmétz-Truppe zusammen.

Harfenklaenge_Flyer

Gestartet wurde mit mit einem irgendwie gefühlten Battle der krassesten HipHop-Gegensätze am 15.01.2022 (Folgetermin: 19.02.2022) unserer Republik. Da sind auf der einen Seite, die Rapper der hässlichsten Städte Deutschlands, die definitiv auf richtigen Rheinseite liegen und jeweils nur einen gefühlten Steinwurf von der Ghetto-BAB 61 entfernen scheinen, die sie dann wieder auch verbindet. Ano-nym & Chris Kotzen aus Krefeld, MMO & Deny Dean aus der Ludwigshafener Community und HODI FLOW (der Steinwurf zwischen dem A61 Autobahndreieck Hockenheim nach Heidelberg ist ja auch nicht wirklich weit) treffen in der einzig wichtigen Veranstaltung an diesem Abend im westlichen Europa aufeinander. Das scheint ein herausfordernder Abend zu werden.

Los gehts! Es ist wieder Zeit, dass wir uns auf Reisen begeben, die kleinen Erlebnisreisen in Dosen, die das Leben in unserer Stadt so zeichnen.

Auf zu den Harfenklängen im Kulturzentrum dasHaus. Der Bus fährt pünktlich, so dass die Wahl zwischen Bier und Auto eigentlich schon geklärt ist (zurück geht es per Nachtbus ab dem Berliner Platz. Übernachten müssen wir in den Innenstadt also nicht). So führt uns die Fahrt zur Haltestelle Rathaus. Schneller als gedacht sind wir am Ziel und haben noch ein wenig Zeit, um eine Ehrenrunde um den Block zu drehen. Bismarckstraße, da ist es noch hell.

So scheint es uns Erlebnissuchenden durch die Ludwigshafener Innenstadt zu führen, vorbei am für alle Zeit geschlossen Rathauscenter und dem aktuellen Premiumleerstand der Drogeriekette Müller. Im Chor möchten wir der vermeintlich unsympathischsten Kundin an der Kasse dort noch zurufen: „Halt durch, gute Frau, auch Du wirst irgendwann zufrieden sein“. Doch es ist zu spät, denn sie wartet wahrscheinlich bereits in der Warteschlange der Rheingalerie.

Puh, war da was in der Zigarette, was da nicht hingehörte? Wer weiß das schon. Aber hey, Passivrauchen verursacht eh Krebs und den wollen wir ja auch nicht.

Schreiten wir also weiter, durch die irgendwie fast verlassene Innenstadt an diesem späten Abend.

Das Wetter ist noch immer mies und so allmählich mag man glauben, dass die Stimmung eigentlich hausgemacht ist. Es hat irgendwas von Endzeitstimmung in Detroit oder Harlem der 80er Jahren in New York. Was fehlt ist lediglich noch das Rattern der Subway zwischen den Häuserblocks.
Hey, das ist gut. Das passt zum Abend, hausgemacht durch „dashaus“ und Rap in den leeren Straßen dieser großen schönen Stadt mit ihren tollen Menschen.

Noch einmal biegen wir hinter dem kleinen süßen Einkaufswagen des „Billig-REWE“ um die Ecke und wissen: JAAAAAAAAA. Da hinten ist unser Ziel, das Haus.

Es geht ganz fix und wir sind dort, am großen Platz, an dem bereits das vegetarische Hausboot (Restaurant) angelegt hat und wo aus einem Kunstautomat die kleine Kultur „To Go“ gezogen werden kann. Und da ist es wieder: Das Dejavu des Kunstautomaten, den wir auch irgendwie beim Abbiegen am Penny-Einkaufswagen vernommen haben müssen.

Doch es bleibt keine Zeit für kleine Kultur. Denn heute heißt es groß zu denken, Kultur „to stay again“.
Kaum bewegen wir uns auf den Haupteingang zu, die beleuchteten Beton-Kunstwerke an der Hausfassade (typisch.lu eben) erstmalig bemerkend, stehen wir erstmal vor der verschlossenen Tür. Wir rütteln ein wenig an dieser und hmm … nix passiert.

Ach ja, ein magisches ein Pappschuld weist den Weg: „HARFENKLÄNGE HEUTE IM DÔME, Eingang Berliner Straße“. Wir fragen uns kurz, ob die Berliner Straße eigentlich am Berliner Platz endet und ob Ludwigshafen einen DOM hat?

Egal. Keine Zeit für das Verschwenden von unnötigen Gedanken. Schnell nach links, die paar Stufen auf den Metallsteg gesprungen und sofort gestoppt, von dem netten Kollegen an der Haustür, der uns bestimmt aber freundlich auf die Maske hinweist. Gut, das hatten wir in der Eile vergessen.
Also erledigen wir noch die bekannten Einlasskriterien und sind auch schon drin, im Schwarzraum der Hip Hop-Community von Ludwigshafen.

Vielleicht ist dieser Ort nicht das Epizentrum der Hip Hop-Kultur in Ludwigshafen (die Veranstalter von den Music Gourmetz wirken ja sonst eher in Ihrer eigenen Homebase oder im Ludwigshafener Studio. Aber für uns ist es das heute trotzdem, die HARFENKLANGHALLE.

WGIDD Wie geil ist das denn?

„Yeah“, kurz die Garderobe abgelegt bekommen und direkt an die Theke getreten, ist man auch sofort mittendrin im Geschehen. Kurze Einweisung über die herrschenden Corona-Beschränkungen an der Theke und schon ist das erste Bier da. „Prost“

Es ist noch etwas Zeit, also treten wir ein wenig zurück und begeben uns (weil Sport ist ja gesund) auf einen kleinen Rundgang in die noch nicht ganz so dicht gedrängte Location. Vorbei an dem dunkelblauen Vorhang (da kann kein Goldkettchen mithalten) und den Toiletten, in denen auf den Sitzplätzen „Maskenpflicht“ herrscht. Schön, den Humor hat man hier noch nicht verloren.

Und so wird aus dem Yeah auch schnell ein YEAH YEAH und aus den anderen Gästen eine vertraut erscheinende Familie der Gleichgesinnten. Ja, Veranstaltungen zu Corona-Zeiten haben schon etwas Besonderes. Mitgehangen mit geSANGen. Und dann geht es auch schon los.

Also eigentlich heißt es „Open Mic“, die Zeit wo sie gesucht werden, die spontanen Rapeinlagen, die Bühne möglicher Rap und Hiphop-Stars der Zukunft, bei denen sich die Profis und die Besucher das Mikrofon gegenseitig in die Hand drücken.

„Wo sind sie also, die Rapper?“

Sie kommen auf die Bühne, wechseln aus den Zuschauerreihen direkt vor das Mikrofon und pushen ihren „content shit“ gepflegt in die Weite der HARFENKLANGHALLE. Textsicher flashen sie die eigenen Reihen, arbeiten mit- und gegeneinander und machen das, wofür wir hier heute gemeinsam da sind, gepflegt gemeinsam zu feiern. Denn gefiert wird irgendwie Jeder.

Backspin

„LU was geht?“. Weiße Sneaker, Mützen und ab und zu eine Bierflasche in der Hand, ist man gewollt, zu diesem Event beizutragen. Aber nein, wir gehören heute nur zum passiv dahingroovenden Publikum.

Doch die Texte prasseln in unsere Schädel und der Bass mag uns so manchmal die Masken vom Gesicht drücken. Yeah, heute sind wir die Weltmeister im Tütenbauen (Warum uns auch immer das jetzt in den Kopf dringt, okay es war ein Rap) und erkennen erst jetzt, dass mittlerweile auch das Barpersonal rappend auf der Bühne steht. Auch eine Art den Getränkeumsatz steigern.

Die Stimmung ist heiß, heiß auf die angekündigten Acts des heutigen Abends. Das Barpersonal ist zurück und lässt das Abkühlen so mancher Familienmitgliederköpfe zu. „Prost“ und Backspin
Das Tempo geht ein wenig raus, denn das Publikum braucht Luft zum atmen.

Und es geht Schlag auf Schlag. ANO-NYM, CRIS KOTZEN bringen das Publikum zum Beben, MMO, Deny Dean und HODI stehen in Nichts nach.

Backspin.

Leck mich am A…. WGIDD…und immer wieder hören wir, wo das eigentliche Zentrum unserer Commuity ist, 6768…6768…
Und während wir uns nicht stoppen lassen (die Masken hat der Bass mal wieder weggedrückt und wir zerren sie uns zurück in Gesicht) haben sich die Ludwigshafener Rapper Babba Moe/StoneyMoe und Andymics unter das Publikum gemischt, Familie halt dann irgendwie.

Kaum ist man so richtig in Fahrt, ist der Abend auch schon wieder fast rum. Nach 3 Stunden ist die Luft bei uns raus. Die Jüngsten sind wir ja auch nicht mehr und die letzten beiden Jahren mit gefühlten 1,5h Konzert pro Jahr haben unserer Kondition auch nicht wirklich gut getan.

Backspin…Wir sind wieder jung.

Und während wir noch überlegen, was uns nicht so gefallen hat, gibt es auch klare Kritikpunkte am Abend. Weizenbier schmeckt direkt aus der Flasche noch immer ziemlich ungeil (da bringe ich das nächste Mal meinen Plastikbecher mit) und Rapper mit einer Apple-Allergie sollte nicht zu oft auf die Bühne schauen 😉

Also verabschieden wir uns beim Jacke holen und troddeln gemächlich zum Berliner Platz, wo uns der Nachtbus wieder gepflegt nach Hause schaukelt.

Rundum war es ein gelungener Abend und macht Lust auf das nächste Mal.

Nach oben